Handschrift neu definiert – im digitalen Zeitalter
Meine Bachelorarbeit: Nachhaltig lernen – das Schulheft

Gefühlt können wir heutzutage alle möglichen Buchstabenkombinationen in unseren Messenger-Apps eintippen und fast immer wird uns das richtige Wort vorgeschlagen.
Doch was würde passieren, wenn wir das beim „Handschreiben“ täten?
Absolut nichts.
Es würde einfach ein undefinierbares Wort auf unserem Blatt Papier stehen. Und hier kommen wir auch schon zu meinem Bachelor-Thema:
„Unsere Handschrift: Nachhaltig lernen – das Schulheft“
Der Weg zu meiner Bachelorarbeit
Kommdirekt begleitet mich schon seit Beginn meines Studiengangs „Kommunikationsdesign“ an der Hochschule Augsburg. Mithilfe von Kommdirekt konnte ich das theoretische Wissen, welches ich mir an der Hochschule angeeignet hatte, durch praktische Tätigkeiten im Design vertiefen. Als Digital Designer in einer Digitalmarketing Agentur war der Titel meiner Bachelorarbeit „Unsere Handschrift: Nachhaltig lernen – das Schulheft“ für viele zunächst einmal überraschend. Beim zweiten Blick auf meine Arbeit, stellt man jedoch schnell fest, dass es sich um die Symbiose des Digitalen und des Analogen handelt.
Digitalisierung unserer Kommunikation
Wir bevorzugen E-Mails statt Briefe, Apps statt Post-its, Selfies statt Urlaubspostkarten und Social Media statt Tagebücher. Zudem vertrauen wir blind unserer Autokorrektur anstatt Wörterbücher durchzublättern.
Wir sprechen mit Alexa, Siri und Google und wenn es besonders schnell gehen muss tut es auch eine Sprachnachricht in WhatsApp. Mithilfe von Laptops, Tablets und Smartphones können wir nicht nur schnell Informationen erhalten, sondern auch zeitgleich auf die erhaltene Nachricht reagieren.
Wie es scheint, machen unsere technischen „Helfer“ das Schreiben mit der Hand überflüssig.
Die Veränderungen sind allgegenwärtig und beeinflussen die Bereiche Politik, Wirtschaft und Bildung. Niemand möchte den Anschluss an den „digitalen Wandel“ verpassen.
Stichwort Bildung: Aktuell stehen Schulen unter einem enormen Druck. Viele Lernprozesse sollen digitalisiert werden. Hier sehen Lehrkräfte das Tablet als das neue Werkzeug für Schüler. Es soll getippt statt geschrieben werden.
Durch die fortschreitende Digitalisierung von Schulen, verliert die Handschrift zunehmend an Bedeutung. In meiner Abschlussarbeit greife ich die Problematik zwischen Handschrift und Digitalisierung auf, da es nicht gleichgültig ist, ob wir mit der Hand oder mit der Tastatur schreiben. Beide Methoden haben natürlich ihre Vor- und Nachteile.
Vor allem wir Gestalter wissen, wie wichtig es ist, einerseits die technischen Programme zu beherrschen, andererseits aber auch Ideen schnell und einfach auf ein Blatt Papier zu scribbeln. Das eine schließt das andere nicht aus. Nun habe ich mich gefragt, wie kann ich die Vorteile der scheinbaren gegensätzlichen Gegenstände – Tablet und Schulheft – vereinen?
Wie Barney Stinson sagen würde: “Challenge Accepted!“
Mein Ziel: die Entwicklung eines neu gestalteten Unterrichtshilfsmittels, das das alte Schulheft ablöst und die Konzeption einer gesellschaftsübergreifenden Kampagne, die auf die Wichtigkeit der Handschrift aufmerksam macht.
Warum ist unsere Handschrift so wichtig?
Wenn wir mit der Hand schreiben werden nicht nur Informationen festgehalten. Währenddessen werden unsere motorischen Fähigkeiten gefördert und unser Gehirn ganzheitlich aktiviert, dadurch wird die Kreativität angeregt, das Erinnerungsvermögen wird verstärkt und unsere sprachliche Ausdrucksweise verändert sich. Zum Beispiel ist der Satzbau von handschriftlichen Texten viel komplexer und vielschichtiger aufgebaut, als bei getippten Botschaften.
Darüber hinaus ist unsere Handschrift mehr als nur „Inhalt“, sie ist so individuell wie wir selbst – ein Unikat. Sie passt sich unseren Emotionen, Situationen und Absichten an, dabei spiegelt sie ein Stück weit unsere Persönlichkeit wider.
Ein weiterer Punkt, der für die Handschrift spricht ist die Unabhängigkeit von technischen Geräten. Das klingt zunächst „banal“ aber wir können jederzeit auf fast allen Materialuntergründen mit unterschiedlichen Hilfsmitteln etwas schreiben:
- eine Nachricht auf ein Blatt Papier
- ein Herz im Sand
- Graffiti an einer Mauer
- eine Schnitzerei im Baum
- eine „Gute Besserung“ auf dem Gips
- ein SOS Zeichen auf einer Wiese
Können digitale Medien das Schulheft und die Handschrift vollständig ersetzen?
Tablets ermöglichen es ebenfalls handschriftliche Notizen festzuhalten. Zudem können diese mühelos gelöscht und nochmal neu geschrieben werden. Also warum noch das Schulheft benutzen?
Natürlich haben Tablets sehr viele Vorzüge. Sie sind interaktiv, können den Lernstoff für Schüler individualisieren und wiegen deutlich weniger als 10 Hefte und 5 Bücher zusammen.
Dennoch hat das Tablet auch seine Grenzen. Beim Schreiben bleiben Stift und Oberfläche immer gleich. All die Vielfalt an Bleistiftstärken, Kugelschreiber, Marker, Füller, Fineliner, Pinselformen und Papiermaterialien kann gar nicht zum Einsatz kommen.
Es ist definitiv ein großer Unterschied, ob wir mit einem digitalen Füller auf einer glatten Glasoberfläche schreiben oder ob wir einen „echten“ Füller auf dem Papier ansetzen.
Unsere Hand arbeitet präziser, da sie mit den unterschiedlichen Stiften und der Beschaffenheit der Papieroberflächen umzugehen lernt. Zudem wird das Geschriebene auf dem Tablet simuliert und die Formen optimiert und „glatt gezogen“. Der eigenen Persönlichkeit wird eine bereits definierte Form vorgegeben, dadurch entsteht ein Raum ohne Ecken und Kanten – alles sitzt perfekt.
Eine weitere Einschränkung, die unsere Arbeitsweise beeinflusst, ist das Format. Wenn wir auf einem Tablet schreiben, können wir nicht über unser Format hinaus gehen. Das ist technisch gar nicht möglich, wohingegen wir mit Papier unser eigenes Format definieren können, dabei lassen sich komplexe Prozesse leichter erfassen, da wir selbst bestimmen können wie groß, klein, schmal, oder breit unsere Notizen oder Skizzen sein sollen.
Freund statt Feind: Schulheft und Tablet
Ganz klar: Tablets und Schulhefte haben ihre Vor- und Nachteile. Viele Lehrer und Schüler gaben an, dass das eine das andere nicht ersetzen kann. Ideal wäre eine Kombination aus digitalen und analogen Lernhilfsmitteln.
Von beiden Tools sollten wir die Stärken nutzen und die Schwächen mithilfe des jeweils anderen Mediums ergänzen.
Doch dafür muss das aktuelle Schulheft überarbeitet werden, denn egal welche Heftmarken wir uns näher anschauen – alle haben etwas gemeinsam: Sie besitzen immer den gleichen Aufbau, ähnliches Material und eine simple, aber starre Bindung (Heftung). Aktuell ist für jedes Fach mindestens ein Heft vorgesehen.
Das neue Produkt soll die Stärken des Analogen hervorheben und die bereits genannten Schwächen eines Tablets ergänzen.
Produkt- und Markenentwicklung
Vom Massenprodukt zum Qualitätsprodukt: Die Recherchen im Internet, die durchgeführten Interviews mit Fachleuten und die Umfragen an Schulen haben ergeben, dass die Nachfrage nach alternativen Materialen nach wie vor sehr hoch ist und diese wieder im Trend liegen. Die Nachhaltigkeit war für mich von Anfang an selbstverständlich, ohne jedoch im Vordergrund zu stehen.
Meine insgesamt vier entwickelten Produkte sind so gestaltet, dass sie sich den digitalen Lern- und Hilfsmitteln anpassen. Sie definieren das Schreiben neu.
Dabei handelt es sich um folgende Heftideen: Grundsätzlich bestehen alle meine Produkte aus vier Bestandteilen:
- ein stabilerer Umschlag
- einzelne Innenseiten
- eine flexible Bindeart mit Hilfe eines Gummibands
- ein Namensschild
Die flexible Bindung unterscheidet sich dahingehend von üblichen Heftbindungen, durch eine offene Blattführung. Das bedeutet, dass die Innenseiten nicht als geheftete Bögen in den Umschlägen liegen, sondern als Einzelblätter eingefügt und herausgenommen werden können. Somit ist der Umschlag ebenfalls austauschbar. Dank der zahlreichen Umschlagfarben oder Gummibandfarben, werden keine Plastikumschläge mehr benötigt.
Produktbeschreibung des neuen Schulhefts
Innerhalb der Produktsparte vonHand geschrieben gibt es zwei Produkte. Das erste Schreibheft basiert auf Altpapier und das zweite auf einem wasserfesten Material. Beide Versionen haben aber einen identischen Aufbau. Sie bestehen aus vier unterschiedlichen Lineaturen, die der „Schulnorm“ entsprechen. Die Flexibilität der Blätter bietet eine eigenständige Zusammenstellung von Fächern.
Das Skizzenheft zeigt die Vielfalt von nachhaltigen Materialien. Überwiegend werden Alternativen zum „Baum-Papier“ verwendet. Die abwechselnde Papieroberflächen ermöglichen das Ausbrechen aus gewohnten Zeichentechniken. Die Experimentierfreude wird angeregt.
Und das letzte Produkt, das Notizheft folgt dem Motto „Second Hand“. Es werden ausschließlich Blätter verwendet, die bereits schon auf einer Seite benutzt worden sind. Die zweite Seite ist mit einer Lineatur bedruckt. Die unterschiedlichen Motive sollen den Schreibenden inspirieren. Die Innenseiten können ja nach Motiv und Material stark variieren. Alle Blätter werden mit dem Namen des ursprünglichen Besitzers gekennzeichnet.
Insgesamt bestehen alle Bestandteile der Hefte aus nachhaltigen Materialien. Sowohl die Druckfarben, als auch der komplette Druck-Prozess sind ebenfalls umweltschonend.
Kampagne
Innerhalb meiner Recherche-Phase habe ich festgestellt, dass das Schreibmotorik Institut ein wichtiger Ansprechpartner zum Thema Handschrift ist. Für sie steht das Thema Schreiben mit der Hand im digitalen Zeitalter ebenfalls im Mittelpunkt. Im Jahr 2020 planen sie sogar eine Aktion, die sich dem Thema Handschreiben widmet.
Für meine Bachelor-Arbeit bildete ich eine fiktive Kooperation zwischen meiner Heftmarke „vonHand“ und dem Schreibmotorik Institut für die Imagekampagne Aktion Handschreiben 2020.
Der Aufbau der Kampagne ist so konzipiert, dass es zunächst eine Einführung in die Thematik gibt. Anschließend fokussieren unterschiedliche Aktionen bestimmte Zielgruppen. Bei der Erstellung der Konzeption der einzelnen Aktionen habe ich darauf geachtet, dass das traditionelle „Handschreiben“ immer mit digitalen Medien verknüpft wird.
Zwei Beispiel-Aktionen für die Kampagne „Handschreiben 2020“
23. Januar, internationaler Tag der Handschrift: Hier wird digitales Papier mit interaktiven Plakaten verknüpft. Am Anfang des Tages werden die interaktiven Plakate „leer“ eingeblendet. Kinder aus unterschiedlichen Kindergärten dürfen an diesem Tag die digitalen Papiere beschreiben.
Die Zeichnungen werden in Echtzeit übertragen und auf die Bildschirme der interaktiven Anzeigen übertragen. Nun können Passanten live zusehen, wie Kinder zum aller ersten Mal ihren Namen schreiben. Dieser besondere Moment der Kinder kann nun mit allen geteilt werden und weckt so wieder in jedem die Erinnerung an seine eigenen ersten Schreibmomente in der Kindheit.
WhatApp Aktion: Laut Statistiken nutzten rund 1,5 Milliarden Personen im Januar 2018 den Messaging-Dienst WhatsApp. In Deutschland ist der Kurznachrichten-Dienst besonders in der Altersgruppe zwischen 14 und 19 Jahren beliebt. Ich nutze die Plattform für meine Kampagne, da exakt diese Zielgruppe starke Probleme beim Handschreiben aufweist. In WhatApp können handschriftliche Smileys selbst erstellt, gespeichert und geteilt werden. Innerhalb dieser Funktion gibt es eine Verlinkung auf die „vonHand“ Kampagnen-Seite.
Konzept des Onlineauftritts „vonHand“
Die Webseite ist das Verbindungsglied zwischen Produkt und Kampagne. Sie bietet unterschiedliche Funktionen: Mit dem Heft-Konfigurator lassen sich ganz einfach eigene individuelle „vonHand“-Hefte zusammenstellen. Eine Live-Preview erleichtert es dem Besucher sich vorzustellen, welche Kombination er ausgewählt hat.
Unter anderem bietet „vonHand“ die Option „Papierverkauf“ an. Jeder hat die Möglichkeit sein gebrauchtes Papier entweder zu verkaufen oder sich sein eigenes Notizheft erstellen zu lassen.
Die Kampagnen-Seite der Aktion Handschreiben 2020 befindet sich ebenfalls auf der „vonHand“ Webseite. Sie zeigt alle aktuellen News, Aktionen und Infos zum Thema Handschrift an.
Mein persönliches Fazit zur Bachelorarbeit
Während ich an meiner Bachelorarbeit gearbeitet habe, durchlief ich viele Höhen und Tiefen. Das Wissen, welches ich mir innerhalb von dreieinhalb Jahren bei Kommdirekt aneignet habe, konnte ich in vielen Bereichen meiner Bachelorarbeit erfolgreich einsetzen.
Innerhalb der letzten drei Monate bin ich an zahlreichen Herausforderungen gewachsen und konnte in schwierigen Situationen viele neue Erfahrungen sammeln. Diese kann ich heute wiederum in meiner aktuellen Stelle als Digital Designer bei Kommdirekt einbringen.